Sehr geehrter Herr Bürgermeister,
sehr geehrte Damen und Herren des Rates,
liebe Bürgerinnen und Bürger,
wenn wir heute über den Haushalt 2026 sprechen, dann sprechen wir nicht nur über Zahlen. Wir sprechen über Verantwortung. Über Prioritäten. Und über die Frage, wie zukunftsfähig unsere Stadt wirklich ist.
Ein Haushalt ist – und das sagen wir Grüne seit Jahren – ein Spiegel unserer politischen Entscheidungen. Und dieser Spiegel zeigt uns auch 2026: Wir befinden uns weiterhin in einem strukturellen Krisenmodus. Finanzielle Enge, ökologische Herausforderungen und gesellschaftliche Spannungen treffen aufeinander.
Die zentrale Frage lautet deshalb nicht: Wie kommen wir irgendwie durch dieses Jahr? Sondern: Welche Weichen stellen wir heute für die Generationen nach uns? Intergenerative Gerechtigkeit ist kein theoretisches Konzept –sie entscheidet sich hier, in diesem Haushalt.
Aber bevor ich tiefer einsteige: Unser ausdrücklicher Dank gilt Frau Lammers und ihrem Team in der Finanzverwaltung. Die Aufstellung dieses Haushalts unter den gegebenen Rahmenbedingungen ist herausfordernd – zum einen gibt es politische Signale für mehr Geld, zum anderen dürfen diese im Haushalt noch gar nicht auftreten. Unsere neuen Ratsmitglieder haben sehr schnell gemerkt: Haushaltsberatung ist kein Selbstläufer – aber sie ist das Fundament politischer Gestaltung. Und vor allem haben sie gemerkt, dass Sie Frau Lammers die Zahlen einfach leben.
Die finanzielle Realität – und was sie bedeutet
Die Zahlen sind bekannt, aber ihre Bedeutung muss klar benannt werden.
Unsere wichtigsten Einnahmen – Gewerbesteuer und Einkommensteueranteil – liegen mit 9,5 Mio. Euro zu 8,4655 Mio. Euro nahe beieinander. Die Gewerbesteuer bleibt dabei hochvolatil und nur eingeschränkt planbar. Das ist kein kurzfristiges Problem, sondern Ausdruck einer strukturellen Schieflage kommunaler Finanzierung.
Gleichzeitig fließen voraussichtlich 14,1113 Mio. Euro an Umlagen ab – fast 39,34 % der ordentlichen Aufwendungen.
Vier von zehn Euro verlässt die Stadt, bevor wir politisch gestalten können.
Das ist keine abstrakte Haushaltszahl.
Das bedeutet weniger Spielraum für Schulen, weniger für Klimaanpassung, weniger für soziale Infrastruktur. Genau deshalb ist es unsere Pflicht, die verbleibenden Mittel klar, mutig und zukunftsorientiert einzusetzen – auch mit politischen Prioritäten.
Rückblick 2025: Grüne Politik wirkt – konkret vor Ort
2025 hat gezeigt: Grüne Politik macht einen Unterschied.
Ein zentrales Highlight war die Anpassung der Gestaltungssatzung. Auf unseren Antrag hin wurden die Hürden für Photovoltaik im Innenstadtbereich deutlich gesenkt. Das ist keine Symbolpolitik – das ist konkrete Ermöglichung von Klimaschutz auf privaten Dächern.
Passend dazu der Bericht aus dem Umweltausschuss im September:
237 kWp Photovoltaik auf öffentlichen Gebäuden – das entspricht dem Strombedarf von 60 bis 75 Haushalten, über 1,2 Millionen Kilometern Fahrleistung oder dem jährlichen CO₂-Ausstoß von 40 bis 50 Autos.
Das zeigt: Kommunaler Klimaschutz wirkt.
Auch das Förderprogramm für Dach- und Fassadenbegrünung, das auf einen grünen Antrag im Jahr 2024 auf die Fassadenbegrünung erweitert wurde, wird sehr gut angenommen. Das sind sichtbare Veränderungen im Stadtbild – und wirksame Klimaanpassung.
Lowlights: Wenn Zukunft an Strukturen scheitert
Nicht alles war erfolgreich. Besonders schmerzlich war das Scheitern der Förderung für die klimaresiliente Umgestaltung des Schulhofs der AFG. Ein fachlich überzeugendes, politisch breit getragenes Projekt – und dennoch ohne Förderzusage. Das zeigt: Gute Ideen allein reichen nicht. Sie brauchen Durchhaltevermögen und politische Priorität.
Gleichzeitig wird auf der Weltklimakonferenz COP30 in Brasilien darüber verhandelt, ob die Staaten der Welt ihre Zusagen einhalten:
ob der Ausstoß von Treibhausgasen endlich sinkt,
ob Städte besser vor Hitze und Starkregen geschützt werden,
und ob Klimafolgenanpassung dort passiert, wo Menschen sie konkret spüren.
Die zentrale Erkenntnis aus diesen Konferenzen ist längst klar – und sie ist unbequem:
Klimaschutz entscheidet sich nicht auf Konferenzbühnen, sondern vor Ort.
In Städten, Gemeinden und Quartieren – wie hier in Billerbeck.
Genau deshalb sind kommunale Projekte wie ein entsiegelter Schulhof, mehr Grünflächen oder funktionierender Hochwasserschutz keine „Extras“, sondern Vorsorgepolitik.
Das wurde auch beim Hochwasserschutz am Weihgarten deutlich. Wir dürfen nicht nur in Mauern denken. Retentionsflächen, Wasserqualität und der Umgang mit PFAS-Belastungen verlangen langfristige Verantwortung.
Oder, um es ganz klar zu sagen:
Nicht zu handeln wird teurer als jetzt zu investieren.
Finanziell. Ökologisch. Und gesellschaftlich.
Tempo 30: Was ist politische Verantwortung
Ein Beispiel dafür, wie wichtig politische Verantwortung ist, war die Debatte um Tempo 30 am Zebrastreifen an der Industriestraße.
Ausgangspunkt war ein gemeinsamer Antrag der CDU, Grüne, SPD und Familienpartei. Ziel war es, eine nachweislich unübersichtliche und unfallträchtige Stelle sicherer zu machen, zumindest zeitlich begrenzt.
Im entsprechenden Fachausschuss letzte Woche wurde dann jedoch sichtbar: SPD und wir Grüne sind bedingungslos bei der Grundidee für mehr Sicherheit geblieben. Die CDU hat, wie wir heute in der Haushaltsrede gehört haben, ein Einsehen für die Sachargumente der Einschätzung von Verwaltung und dem Kreis.
Fachliche Argumente sind wichtig. Denn wenn fachliche Gründe gegen eine zeitliche Begrenzung sprechen, dann ist die logische Konsequenz nicht: gar kein Tempo 30,
sondern: Tempo 30 dauerhaft.
Sicherheit für Kinder, Fußgängerinnen und Fußgänger ist kein Thema für Ausreden. Sie ist politische Verantwortung.
Beteiligung, Jugend und soziale Fragen
2025 war für uns auch ein Jahr der Beteiligung. Mit unserem Antrag auf Jugendsprechstunden und der stärkeren Einbindung der Schüler*innenvertretungen haben wir die Belange junger Menschen ernst genommen – und wir freuen uns darauf 2026 in den Fachausschüssen darüber zu beraten.
Dass wir – alle Fraktionen gemeinsam – Auf unseren Haushaltsantrag hin das Kinder- und Jugendparlament stärken konnten – durch eine Budgeterhöhung auf 7.500 Euro, ohne Mehrausgaben – zeigt: Gute Politik braucht nicht immer mehr Geld, sondern klare Prioritäten.
Ein Lowlight bleibt für uns dagegen die Bezahlkarte für Geflüchtete. Die nun notwendige White-List bedeutet mehr Bürokratie und weniger Wahlfreiheit.
Gleichzeitig wurde in der Haushaltseinbringung zu Recht betont, dass Integration eine zentrale Zukunftsaufgabe für unsere Stadt ist. Aus grüner Sicht gilt deshalb:
Integration gelingt nicht durch Gängelung, sondern durch Teilhabe und Vertrauen.
Sondervermögen, Investitionen – und ein Blick mit Augenzwinkern
Wir begrüßen die Entlastung durch die Senkung der Jugendamtsumlage ebenso wie die Perspektiven des (LuKIFG-)Sondervermögens. Auch in der Haushaltseinbringung wurde deutlich, dass in den kommenden Jahren erhebliche Investitionen anstehen – von Infrastruktur über Schule bis Stadtentwicklung.
Aber wir sagen klar: Dieses Sondervermögen ist kein Lückenfüller.
Es wurde geschaffen, um neue Dinge möglich zu machen, die aus dem laufenden Haushalt heraus nicht zu stemmen sind:
Investitionen in klimafeste Infrastruktur,
in energetische Sanierungen,
in nachhaltige Mobilität,
in Schulen, die Hitze und Starkregen aushalten,
und in Städte, die auch in 20 Jahren noch funktionieren.
Genau deshalb erwarten wir Transparenz und eine klare politische Entscheidung darüber, welche neuen Projekte wir damit bewusst auf den Weg bringen.
Und manchmal zeigt sich Reformbedarf auch ganz konkret:
Die Sondernutzungssatzung aus dem Jahr 1991 – die wir heute neu beschließen – ist/ war genauso alt wie ich.
Und ich kann Ihnen versichern:
In meinem Fall gab es seitdem zumindest einige Updates.
Bei der Satzung hat man davon lange nichts gemerkt.
Danke – die Menschen!
Bevor ich zum Schluss komme, möchte ich einen Punkt ausdrücklich betonen:
Dieser Haushalt – so eng er auch ist – trägt sich nicht allein durch Zahlen.
Er trägt sich durch Menschen.
Durch das Ehrenamt, das unsere Stadt zusammenhält – in Vereinen, Initiativen, der Feuerwehr, im sozialen Bereich und in der Kultur.
Durch die lokalen Unternehmen und Gewerbetreibenden, die Arbeitsplätze schaffen, ausbilden, investieren und Verantwortung übernehmen.
Und durch eine engagierte Verwaltung, die tagtäglich zwischen politischen Ansprüchen, rechtlichen Vorgaben und knappen Ressourcen vermittelt.
Ihnen allen gilt unser Dank. Denn ohne dieses Engagement wären viele Dinge, die wir hier diskutieren, schlicht nicht möglich.
Dieser Haushalt zeigt unsere Grenzen.
Aber er zeigt auch, wofür wir als Grüne stehen:
für Klimaschutz, für Beteiligung, für soziale Verantwortung und für eine Politik, die nicht auf Kosten der Zukunft lebt.
Enkeltauglichkeit ist kein Schlagwort.
Sie ist der Maßstab, an dem wir diesen Haushalt messen – und an dem wir politische Entscheidungen insgesamt messen sollten.
Deshalb werden wir Grünen dem Haushalt 2026 zustimmen.
Nicht, weil er perfekt ist, sondern weil er unter schwierigen Rahmenbedingungen Verantwortung übernimmt und zentrale Zukunftsaufgaben nicht aus dem Blick verliert.
Vielen Dank.
(Es gilt das gesprochene Wort)
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