Rede von Maggie Rawe anlässlich des Ratsbeschlusses zur Errichtung der „Schule für alle“ in Billerbeck

Frau Bürgermeisterin, liebe Ratskolleginnen und Kollegen!

Billerbeck erhält eine neue Schule, eine gemeinsame Schule, eine „Schule für alle“!

Leider werden wir kein einstimmiges Ergebnis zu diesem Antrag bekommen, die FDP hat ja schon in der Presse verkündet, dass sie sich diesem Beschluss heute nicht anschließen wird. Aber wir sind es ja mittlerweile gewohnt, dass sie lieber mit der Presse sprechen und dort plakative Totschlagargumente wie „die Schüler bleiben auf der Strecke“, oder „gnadenloser Wettbewerb“ heraus blasen, als konstruktiv mit wirklichen Alternativvorschlägen in den verschieden Gremien mitzuarbeiten. Der Beschluss auf Antrag einer Gemeinschaftsschule wird von einem breiten überfraktionellen Konsens getragen, daran haben wir lange gearbeitet. Das war gerade anfangs sicherlich keine einfache Zusammenarbeit, aber ich denke es ist wirklich etwas Hervorragendes dabei herausgekommen. Da haben sich die oft langen und harten Diskussionen wahrlich gelohnt.

Wir als Ratsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen haben nie ein Hehl daraus gemacht, dass wir genau solch eine Schule wollen. Wir glauben, Kinder können so mit ihren unterschiedlichen Begabungen am besten gefördert werden. Und Fördern heißt für uns: sowohl gezielt und individuell helfen Schwächen zu überwinden, als auch gezielt und individuell Begabungen weiter auszubauen.

Mit dieser Schule werden wir Kinder neu fürs Lernen begeistern können. Denn sie werden gerade nicht frühzeitig in eine Schublade gesteckt, in ein System aus dem sie nur schwer wieder raus kommen. Sie werden da abgeholt wo sie stehen und ihr eigener Lernweg und damit verbunden auch oft ihr Lebensweg, ist eben nicht schon in der 5. Klasse festgelegt. Diese Begeisterung können wir nur durch konsequente individuelle Förderung erreichen, und gerade das wird in der Schule für alle umgesetzt. Und das ist es auch, was Eltern heute von Schule erwarten.

In unserer Elternbefragung haben fast 85 % der Eltern angegeben, das genau diese individuellen Entwicklungsmöglichkeiten für sie als Entscheidungsgrund für eine Schule besonders wichtig sind. Unsere neue, gemeinsame Schule wird genau das den Billerbecker Kindern bieten. Gerade in diesem Punkt unterscheidet sich unser Billerbecker Modell ganz wesentlich von anderen.

Wir sind eben keine Einheitsschule, hier wird eben nicht gleichgemacht, und es geht auch nicht  darum jedes Kind zum Abitur zu bringen. Bei annähernd gleichen Leistungen besuchen Kinder bildungsfernern Schichten seltener einen höheren Bildungsgang als Kinder bildungsnaher Schichten. Das ist so, das zeigen die Ergebnisse der IGLU-Studie. Unterschiedliche Begabungen und Biografien zu fördern, jedes Potenzial ausschöpfen und dadurch die eigenen Bildungschancen vergrößern, dafür steht unsere Schule für alle. Darüber hinaus bietet die Schule für alle allen Kindern eine wirkliche Chance, über das reine Lernen hinaus ihren eigenen Weg zu finden.

Gerade durch die Projekte und Arbeitsgemeinschaften, die in unserem pädagogischen Konzept einen großen Stellenwert haben werden besonders die sozialen und personalen Kompetenzen unsere Kinder gestärkt. Das ist wichtig für den Umgang miteinander, wichtig für die Einbindung in eine Gruppe und wichtig für die Selbsteinschätzung.

Und, meine Damen und Herren, machen wir uns nichts vor, das werden sehr, sehr wichtige Kompetenzen für unsere, sich schnell wandelnde Gesellschaft sein. Allein in Punkto demographische Entwicklung werden unsere Kinder vor mehr als schwierige Entscheidungen gestellt werden. Nur wenn unsere Kinder wirklich teilhaben können an unserer Gesellschaft, können sie sich diesen Aufgaben auch stellen. Um das zu gewährleisten müssen wir Politiker hier vor Ort Schule gestalten, da brauchen wir gar nicht nach Berlin und Düsseldorf zu schielen. Wir müssen dafür sorgen, dass Schule nicht nur in unserer Stadt bleibt, wir müssen dafür sorgen, dass Schule in unserer Stadt noch stärker verankert wird.

Und das wird die Schule für alle, denn

  1. Diese Schule ist auch für Eltern, die sich für ihre Kinder eine gymnasiale Ausbildung wünschen, attraktiv. Bislang sind im Schnitt 54% der Kinder eines Entlassjahrganges auf unsere Haupt- oder Realschule gewechselt. Bei der Befragung haben 77,5 % der Eltern angegeben ihr Kind vermutlich auf die Schule für alle wechseln zu lassen. Diese Zahlen brauche ich wirklich nicht zu kommentieren. Und nebenbei zeigen diese Zahlen  auch deutlich, wir sind eben nicht auf Einpendler angewiesen, um die geforderte Dreizügigkeit zu gewährleisten.
  2. Diese „Schule für alle“ wird für eine weitere Kontinuität des gemeinsamen Unterrichts für Kinder mit und ohne Behinderung sorgen. Wir wissen alle wie wichtig es für Kinder mit Behinderung ist weiterhin mit ihren Freundinnen und Freunden, aus der Nachbarschaft, den Kindergärten oder der Grundschule, gemeinsam die Schule zu besuchen. Aber wir dürfen  uns nichts vormachen, unsere Hauptschule, egal wie gut die Arbeit ist, die dort gemacht wird, würde bei den vorliegenden Geburtszahl in ganz absehbarer Zeit als erste unserer Schulen geschlossen werden. Gerade dort haben wir aber die höchsten Zahlen der Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf. Den gemeinsamen Unterricht vor Ort auch in Zukunft sicherzustellen, auch dafür steht die „Schule für alle.“ Und auch für die anderen Kinder ist dieser gemeinsame Unterricht mehr als wichtig um sämtliche sozialen Kompetenzen zu stärken.
  3. Wir werden die örtliche Wirtschaft noch stärker in unsere Schule holen als bisher. Nicht nur um den Schülern zu ermöglichen wirklich alle ihre Talente entfalten zu können, auch weil die Wirtschaft unsere Schüler braucht. Da werden sich noch mehr Betriebe auf den Weg in die Schule begeben müssen, das werden wir noch bessere Kooperationen brauchen. Meine Damen und Herren Gewerbetreibende hier aus Billerbeck, gehen sie diesen Weg mit, mit den Chancen, die sie dadurch unseren Kindern ermöglichen, erhalten auch ihre Betriebe neue Chancen.
  4. Wir werden die Vereine als Partner mit ins Boot holen. Schule ist längst schon für Kinder mehr als ein Lernort. Da findet in großen Teilen ihr Leben statt, und da müssen unsere Vereine dabei sein. Ob Musik, Theater, Sport – Ganztag bedeutet auch Freizeitgestaltung. All die eben genannten Dinge werden dafür sorgen, dass Schule stärker als bisher in das gesellschaftliche Leben der Stadt einbezogen wird.

Bedanken möchten wir als Fraktion uns bei der pädagogischen Arbeitsgruppe und bei der Arbeitsgruppe der Kollegien von Haupt- und Realschule. Wir haben größten Respekt vor dieser tollen Arbeit und sind besonders froh, dass es die Fachleute vor Ort waren, die der „Schule für alle“ ein pädagogisches Konzept gegeben haben. Diesem Konzept kann sich der weitaus überwiegende Teil der Eltern anschließen. Es war richtig diesen Weg zu gehen, wir, die Fraktion von Bündnis 90/ Die Grünen freuen uns sehr, dass er zu so einem guten Ende gekommen ist.

(Es gilt das gesprochene Wort.)

Maggie Rawe

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